Bettnässen (Enuresis nocturna)
Seit Generationen ein Tabuthema - Kinder die nachts ins Bett machen. Und für viele Betroffene – Eltern wie Kinder – ist es oftmals wie verhext: Weder gute Worte noch Schimpfe scheinen dem Bettnässen Einhalt gebieten zu können. In diesem Artikel wollen wir uns mit dem Phänomen näher auseinander setzen, insbesondere die Ursachen für Bettnässen untersuchen und die therapeutischen Möglichkeiten in einer ganzheitlichen Praxis untersuchen.
Die Wissenschaft unterscheidet zwischen verschiedenen Arten von Bettnässen
a) betrifft diejenigen, die noch niemals trocken gewesen sind. Ursachen dafür können sein: Fehlende Kontrollmöglichkeit aus biologischen Gründen, mangelnde Sauberkeitserziehung, Unfähigkeit die Blase zu kontrollieren auf Grund geistiger oder körperlicher Behinderung und mangelndes Interesse von Seiten des Kindes.
b) Die zweite Gruppe ist die derjenigen, die schon einmal trocken gewesen sind. Ursachen für das Einnässen können dann sein: Unfälle und Verletzungen, durch die die Blasenkontrolle eingeschränkt oder verloren gegangen ist. Blasenerkrankungen aller Art, Stressgründe (Verlust eines Menschen, Familienkrisen, Schulprobleme, etc.), mangelndes Vermögen den Zeitpunkt des Toilette - Aufsuchens einzuschätzen, mangelnde Größe der Blase, Bettnässen infolge von Erkrankungen, beispielsweise Diabetes und bedingt durch Einnahme von Medikamenten. Weiterhin wird unterschieden zwischen primärem und sekundärem B., mir persönlich scheint es am Wichtigsten, zwischen körperlich oder psychisch bedingtem B. zu unterscheiden.
Die Behandlung des Heilpraktikers beginnt mit der körperlichen Untersuchung und der Untersuchung des Urins. Die Behandlungen von Erkrankungen des Urogenitaltraktes werden in einem späteren Beitrag behandelt. Bei Bettnässern zeigt es sich jedoch zumeist, dass die Krankheit psychische Ursachen hat.
In dem Buch „Krankheit als Weg“ schreiben Dahlke und Dethlefsen: „Steht ein Kind tagsüber so stark unter Druck (Eltern, Schule), dass es weder loslassen, noch seine eigenen Ansprüche vertreten kann, so löst das nächtliche Bettnässen gleichzeitig mehrere Probleme auf einmal: Es verwirklicht das Loslassen (das Strömenlassen des Urins) als Antwort auf den erlebten Druck und stellt gleichzeitig eine Gelegenheit dar, die sonst so mächtigen Eltern in die Hilflosigkeit zu verbannen. Über das Symptom kann das Kind sicher getarnt all jenen Druck wieder zurückgeben, den es tagsüber empfängt. Und weiter heißt es: Gleichzeitig sollte man die Beziehung des Bettnässens zum Weinen nicht übersehen. Beide dienen der Entladung und Entlastung eines inneren Drucks durch Loslassen. Man könnte daher Bettnässen als unteres Weinen bezeichnen.“
Interessant in diesem Zusammenhang auch, dass sowohl über den Urin als auch über die Tränen Stresshormone ausgeschieden werden.
Oft setzt das Bettnässen auch wieder ein, wenn ein Geschwisterkind geboren wird. Ein großer Teil der Aufmerksamkeit, der sonst dem betroffenen Kind zugute gekommen ist, konzentriert sich nun auf den Neuankömmling. Daraus resultiert, dass das betroffene Kind sich wieder klein macht, indem es beispielsweise eben dann wieder anfängt, das Bett einzunässen oder in die Hose zu pinkeln und wieder Windeln tragen möchte. Es ist die Sehnsucht zurück nach der Zeit, als ihm alle Liebe und Zuneigung entgegengebracht wurden und diese nicht zu teilen waren.
Ein weiterer Erklärungsansatz geht in eine ähnliche Richtung. Dieser versteht das Bettnässen als Sehnsucht zu der Zeit im Mutterleib. Der (zunächst) warme Urin würde dabei das Fruchtwasser ersetzen, indem das Kind sich einst wohlfühlte und die Welt noch in Ordnung gewesen war.
Behandlungsmethoden
Bei Entzündungen der Blase oder des Harnleiters werden die angesagten Medikamente gegeben. Die Schulmedizin verwendet im Allgemeinen Antibiotika, der Heilpraktiker verordnet das in Frage kommende homöopathische Medikament. Bei Bettnässen als Sekundärerkrankung wird selbstverständlich die Grunderkrankung angegangen.
Zudem existieren Trainingsprogramme für die Beckenboden - Muskulatur bei zu kleiner Blase oder zu schwacher Blase. Den Kindern sollte vor dem Schlafengehen nur wenig zu trinken gegeben werden. Außerdem werden sie angehalten, vor dem ins Bett gehen noch die Toilette aufzusuchen. Bei ungenügender Ausschüttung des Hormons ADH,( dieses sorgt normalerweise u.a. dafür, dass während des Schlafs der Urin stärker konzentriert und so die Harnmenge reduziert wird), wird dem Kind dieses Hormon zugeführt (das Medikament wird in Form von Tabletten oder Nasenspray täglich eine halbe bis eine Stunde vor dem Schlafengehen verabreicht). 60 bis 70 % der Kinder sprechen darauf an. Sobald aber das Medikament abgesetzt wird, ist das Bett meist wieder nass, sagt der Kinderarzt Eiholzer in seinem unten angegebenen Buch. Von ihm stammt im Übrigen auch die Aussage „Mit ziemlicher Sicherheit wird Bettnässen vererbt“. Oft wird das bestehende Problem durch das Tragen einer so genannten Klingelhose oder einer entsprechenden Matratze angegangen. Das funktioniert so, dass, sobald Feuchtigkeit und Flüssigkeit austritt, ein Klingelton erschallt. Das Kind erwacht und kann die Toilette aufsuchen. Laut Eiholzer können mit dieser Therapie 70 bis 80 % der Bettnässer trocken werden. Wir müssen jedoch dabei zur Kenntnis nehmen, dass diese Hilfsmittel keine Heilmittel sind. Sind psychischer und emotionaler Stress die Ursachen fürs Bettnässen, bleiben diese bei Einsatz dieser Hilfsmittel weiterhin bestehen.
Der Heilpraktiker kann diese Ursachen beispielsweise mit der Bachblütentherapie angehen. In Frage kommen
1. Agrimony (Odermennig) für Kinder, die ihren Schmerz nicht zeigen können oder wollen und wie beschrieben, nachts über die Blase weinen.
2. Honeysuckle (Jelänger-Jelieber) für diejenigen Kinder, die wieder ganz klein sein wollen oder sich in den Mutterleib zurücksehnen.
3. Holly (Stechpalme) hilfreich bei Aggressionen, Neid und Eifersucht.
4. Star of Bethlehem (doldiger Milchstern - der Seelentröster) für Kinder, die über bestimmte Ereignisse nicht hinwegkommen.
5. Rock Rose (die Heckenrose) für Kinder, die sich auf Grund von Alpträumen vor Angst in die Hose machen.
6. Walnut (die Walnuss) für diejenigen Kinder, die einen Wechsel in ihrem Leben nicht verdaut haben, beispielsweise Umzug, Einschulung, Geschwister, Trennung usw.
In der Homöopathie kommen neben dem Konstitutions- und Typenmittel folgende in Frage (Auswahl): Equisetum (Schachtelhalm) – ein insgesamt Blasen stärkendes Mittel. Hilfreich insbesondere, wenn Kinder bei Alpträumen ins Bett machen.
Causticum (ein bestimmter Ätzstoff in der Homöopathie). Dieses Mittel hilft, wenn das Empfindungsvermögen für den Urinabgang verloren gegangen ist. Urin tritt aus beispielsweise unwillkürlich beim Husten oder Niesen. Für Kinder (aber auch Erwachsene), denen im ersten Nachtschlaf unwillkürlich der Urin abgeht oder auch durch leichteste Erregung.
Plantago major (der Breitwegerich) wird symptomatisch auf Grund der guten Erfahrungen bei Bettnässen gegeben.
Rhus aromatica (duftender Sumach) oft hilfreich bei Nieren- und Harnbeschwerden auf Grund von Diabetes. Enuresis auf Grund von Blasenatonie. Auch wenn starke Schmerzen zu Beginn des Harnflusses auftreten.
Sulfur bekommen die Kinder, die auffallend häufig nachts pinkeln müssen. Nach dem Pinkeln brennt es oft noch lange in der Harnröhre.
Und schließlich Thyreoidinum (getrocknete Schafschilddrüse). Diese wird empfohlen bei Bettnässen bei schwächlichen Kindern, die nervös und reizbar sind. Der Urin riecht auffallend nach Veilchen.
Quassia amara (Bitterholzbaum). Dieses Mittel geben wir den Kindern, die, sobald sie aufwachen, den Urin nicht mehr halten können und ins Bett laufen lassen müssen.
Literatur:
“Über das Bettnässen und wie man es los wird“, Urs Eiholzer, Hans-Huber-Verlag
„Bettnässen - komm ich helfe Dir“, Irmgard Zuleger, Südwest- Verlag
© Jörg Pantel 2014